Identifikation mit dem Sozialismus
 
  Publiziert von HaPe am 1.4.2015
 
 

Zu Deiner Frage: Warum identifizieren sich so viele Intellektuelle, Schriftsteller, Musiker, Künstler usw. mit dem Sozialismus?

 
  Lieber Benno,
 
 

gestatte mir vorerst zwei Bemerkungen: 1. Unter den Begriffen Sozialismus und Soziales verstehen alle etwas anderes; das kann von einer ein bisschen divergierenden Meinung bis zu stark abweichenden Auffassungen reichen. Ich werde nachstehend versuchen, die Begriffe für unsere schweizerischen Verhältnisse speziell zu umschreiben. 2. Ich finde, dass ‘Intellektuelle‘ der Oberbegriff ist; man könnte sagen ‘Intellektuelle (also Einsichtige, z.B. bestimmte Schriftsteller, Musiker, andere Künstler)‘. Mit ‘z.B. bestimmte …‘ ist zum Ausdruck zu bringen, dass der Begriff Intellektuelle nicht immer zutrifft, aber oft beansprucht wird, um sich über die grosse Masse zu erheben (was aber schon ein klares Zeichen von nicht vorhandener Intellektualität des betreffenden menschlichen Wurms ist).

 
Nun, medias in res:
 

 

Der Begriff Sozialismus wird bei uns in der landläufigen Debatte als Synonym für Vergesellschaftung oder auch Vergemeinschaftung verwendet (ausserhalb der akademischen Diskussion in CH ganz, ganz selten im Sinn von Vergemeinschaftung der Produktionsmittel); Sozialismus wird  aber meistens dem Individualismus gegenübergestellt. Soziales Empfinden etc. wird meistens von den Sozialisten als Exklusivität betrachtet (nur sie verstehen sich als sozial).

An sich geht es jedoch nicht immer um Gegensätze, weil im Staat, auch aus liberaler Sicht, gewisse Aufgaben vergemeinschaftet zu erledigen sind (Armee, Polizei, Bankenaufsicht, Aussenpolitik u.v.a.), während familiäre und unzählige berufliche Aktivitäten sich immer individuell abspielen, sogar in einem Staatsbetrieb (siehe auch Mitarbeiterbeurteilung).

Die Attraktivität des Sozialen und damit des Sozialismus im obigen Sinn liegt im Blick für das Ganze, in der damit verbundenen Solidarität (Menschenfreundlichkeit), in der Rücksichtnahme auf Schwache und Bedürftige. Die Attraktivität des Individualismus liegt in der möglichst freien persönlichen Entfaltung, allerdings unter Berücksichtigung des Rechts und sozialer Aspekte.

Die negative Seite des Sozialismus zeigt sich bei der Geringschätzung der Eigenverantwortung und bei der Übertragung von möglichst vielen Aufgaben an den Staat (ab Stufe Gemeinde), auch wenn sie der Einzelne selber oder die Wirtschaft zuverlässiger und kostengünstiger erledigen könnten. Die negative Seite des Individualismus kommt im Terminus ‘Ellenbogengesellschaft‘ zum Ausdruck, der unterstellt, dass die Schwächeren gelegentlich rücksichtslos beiseitegeschoben werden, dass (nur) das Geld zählt und weniger der Mensch (wenn überhaupt). Es gäbe noch viele andere echte und vermeintliche Gegensätze aufzulisten.

Wichtig erscheint mir, dass das Leben nur mit einem jeweils sinnvollen, d.h. toleranten und die Anstandsregeln beachtenden Mix aus Vergemeinschaftung und Individualismus funktionieren kann. Es braucht beides.

Auch linke Politiker sind als Selbstdarsteller individualistisch, betonen aber ihren Einsatz für die Gemeinschaft, ihre Stossrichtung. Demgegenüber haben es die freiheitlichen Exponenten immer etwas schwieriger, den Vorteil der Eigen-Initiative und –Verantwortung, und zwar für alle, hervorzuheben. Denn sie gehören zu den Stärkeren und haben für die Schwächeren nur die Perspektive zu bieten, dass auch sie davon profitieren, wenn möglichst viele als Individuen antreten und alles daran setzen, sich zu behaupten. Der gesamthaft positive Effekt des Individualismus ist nur kommunizierbar, wenn auch an die Schwachen gedacht wird. Den ‘Sozialisten‘ fällt immer nur das Wort ‘Staat‘ ein, der Staat, der für alles sorgen soll und zu dem sie rennen, wenn ihnen etwas fehlt.

Aus meiner Sicht sind Staatsgläubige oder Staats-Fans nicht intellektuell, ebenso wenig diejenigen, die kein gutes Haar am Staat oder an der Gemeinschaft lassen.

Am besten dürfte es sein, je nach Aufgabenstellung zu differenzieren und sich zu fragen, was der Einzelne nicht so gut wie die Gemeinschaft erledigen kann und wo der individuelle Einsatz einer gemeinschaftlichen Lösung überlegen ist.

Letztlich sind wir wieder bei der Beurteilung des Tuns und Lassens aufgrund des von Optimismus und  Pessimismus gesteuerten Opportunismus in seiner breiten Bedeutung (siehe Standardwerk ‘Wir sind alle Optimisten‘). Leute, die  solid ökonomisch geschult sind (siehe Prof. H. Sieber-Schüler) oder sich das relevante Wissen sonstwie angeeignet haben, können den Sozialismus nur subsidiär – also wenn der Einzelne überfordert wäre – als sinnvoll erachten. Deshalb sind sie keine Anhänger des Sozialismus, wenn sie  politisieren, schriftstellern oder musizieren etc. Ihr Optimismus gilt dem Ergebnis der individuellen Entfaltung im Rechtsstaat, der auch ein sozialer Rechtsstaat zu sein hat. Ihr Pessimismus warnt sie dabei vor Selbstüberschätzung und vor überzogenen Bestrebungen sozialistischer Kräfte. Und ihr Opportunismus, der die beste oder günstigste Richtung anzeigt, lenkt sie entschieden in eine möglichst liberale Gesellschaft, die sich aber bewusst ist, dass die Schwachen des Schutzes bedürfen, damit der Friede im Innern gewährleistet bleibt und das Ganze funktioniert.

Die Sozialisten aller Schattierungen konzentrieren ihren Optimismus weitgehend auf Staatslösungen, sind zugleich pessimistisch, dass eine liberale Massnahme ihren Einheitsbrei-Bestrebungen in die Quere kommt, und zeichnen sich durch einen auf den Staat ausgerichteten Themenkatalog aus (weltfremde Soziologen, Historiker, denen die Ökonomie nichts oder nicht viel bedeutet, Schriftsteller ohne wirtschaftswissenschaftlichen Schulsack, Musiker mit totaler Hingabe an Klänge und Noten usw.).

 

Empfehlung: Man schaue die Berufs-Sozis genauer an. Darunter sind übrigens auch solche, die – ebenfalls ein menschlicher Wesenszug – schon wissen, dass der prioritäre Sozialismus ein Irrweg ist, aber beim Abwägen ihrer ‘Karriere‘-Chancen auf dieses Pferd gesetzt haben, optimistisch in Bezug auf eigenes Fortkommen, pessimistisch hinsichtlich der persönlichen Chancen im Kreis der Liberalen, wo man mehr bieten muss als im Schoss des Staates (das sind die Opportunisten im herkömmlichen, negativen Sinn).

 

Prognose: Die Leute haben in BL und LU bereits realisiert, dass wir in schwierigen Zeiten leben, die nicht so rasch vorübergehen werden und sich noch verschlimmern können. Und sie ahnen oder wissen, dass uns dabei der primär Kosten verursachende Staat nicht gross helfen wird und dass möglichst starke individuelle Kräfte wirken müssen, um bestehen zu können. Dass die staatsgläubige SP und die Grünen im Herbst 2015 verlieren werden, scheint mir unvermeidlich, wenn SVP, FDP und CVP gemeinsam darauf setzen, die sich allen bietenden Chancen der Eigenverantwortung und des persönlichen Einsatzes zu betonen.

Beste Grüsse

HaPe