Was geschieht nun...in der Eurozone?
   
  Publiziert von Ka E. am 20.11.2011
   
 

Lieber Es K.

Nach wenigen Jahren seit Begründung der Eurozone (1999) haben einzelne Staaten die in den Maastricht-Kriterien vereinbarte Quote der jährlichen Neuverschuldung von 3 % überschritten, Deutschland (2002) Frankreich (2002), Italien (2001), Griechenland (2000), Portugal (2001), Spanien (2008).

Die Schuldenstandquote ist in diesen Ländern bis 2010 auf folgende Werte angewachsen: Deutschland 83 % (Neuverschuldung 2010: 3,3 %), Frankreich 82 % (Neuverschuldung 2010: 7 %), Italien 119 % (Neuverschuldung 2010: 4,6 %), Griechenland 143 % (Neuverschuldung 2010: 10,5 %), Portugal 93 % (Neuverschuldung 2010: 9,1 %), Spanien 60 % (Neuverschuldung 2010: 9,2 %), Irland 96 % (Neuverschuldung 2010: 32,4 %).

Diese Entwicklung trat ein wegen dem trendmässigen, politisch motivierten starken Anwachsen der Staatsausgaben, und vor allem bei wirtschaftlich schwächeren Ländern, weil diese als Mitglied der Eurozone Kredite zu günstigen Zinsen wie die wirtschaftlichen starken Länder beschaffen konnten.

Die immer höher werdende Schuldenstandquote und die stets höhere jährliche Neuverschuldung hatten zur Folge, dass das Vertrauen vor allem in wirtschaftlich schwächere Länder absank. Man befürchtet, dass die durch Staatsobligationen in Euro finanzierten Schulden nicht mehr beglichen werden können. Entsprechend stieg der Zins für neue Staatsobligationen stark an, z.B. für Griechenland, Italien, Portugal bis über 7 %.

Der Mechanismus des Abbaus der Staatschuld über eine Inflation und entsprechendes Sinken der  Wechselkurse gegenüber diesen Ländern ist nicht praktizierbar, weil diese Mitglied der Eurozone sind.

Der drohende Staatsbankrott kann nur abgewendet werden durch eine Senkung der Staatsausgaben und/oder Steuererhöhung oder durch den Austritt aus der Eurozone mit einer gegenüber dem Euro abgewerteten eigenen Währung.

Wie geht es weiter?

Szenario 1

Weiterentwicklung der EU in Richtung Einheitsstaat. Zentrale Lenkung der Finanz/Steuer- und Wirtschaftspolitik, vorerst mal in den schwächeren Ländern. Drastische Senkung der Staatsausgaben bzw. Erhöhung der Steuereinnahmen. Entsprechende Abgabe der Souveränität der einzelnen Länder an die Zentrale, werden zu einer Art von Protektoraten. Transfer von Investitionsmitteln in diese Länder. Die Führung in diesem einheitlichen Gebilde wird Deutschland haben, als grösstes und wirtschaftlich starkes Land. Frankreich wirkt als Trittbrettfahrer mit, von Deutschland aus psychologischen Gründen geduldet. England wird sich wahrscheinlich nicht in dieses Gebilde integrieren, aus historischem Gegensatz zu Deutschland zu verstehen. Nach einem Schuldenschnitt (praktisch in allen Ländern inkl. Deutschland) und einem Neustart mit einer Lenkung wie beschrieben, ist ein Wirtschaftswachstum denkbar. Dies bewirkt, dass die südlichen Länder (GR, I, SP etc.) die Lenkung von einer Zentrale im Norden akzeptieren werden. Es war ja seit 1800 Jahren so, nur vorher Zentrale in Rom. Der Wille zu demokratischer Selbstbestimmung in diesen Ländern war immer schwach (Herrschaftsstaat) bzw. konnte sich nicht (weiter) entwickeln (GR).

Bei Erfolg, vor allem wirtschaftlichem, dieses Euro-Staatsmodells wird der Druck auf CH zunehmen. Bis hin zur Integration?

Szenario 2

Die Völker des Südens sind in Mentalität und wirtschaftlicher Leistung doch (noch) zu verschieden. Wollen die Dominanz des Nordens und von Deutschland nicht akzeptieren. Und es gelingt nicht, die Finanz-/Steuer- und Wirtschaftspolitik zu vereinheitlichen. Unter Aufsicht der Emissäre aus dem Norden in Athen, Rom, Madrid etc. müssen ja die Steuereinnahmen erhöht, die Sozialausgaben reduziert, der Beamtenapparat drastisch verkleinert, die Korruption reduziert werden etc. Soziale Unruhen und Auflehnung könnten die Folge sein.

Hier könnten wir nun weiter spekulieren: Wird Ruhe mit Gewalt geschaffen? Und der Einheitsstaat wird weiter vorangetrieben? Oder gibt es Politiker, welche diese Situation ausnützen und für ihre Länder wieder die nationale Souveränität erringen, Einführung einer eigenen Währung, ev. noch mit einer Handelsunion nach Aussen verbunden - wie Du es auch schon beschrieben hast?

Wie ist die derzeitige Euphorie in GR und I zu werten? Es sind ja nun die oben erwähnten, harten Massnahmen zu treffen, durch von Aussen eingesetzte Exekutivorgane. Könnte die Stimmung da vielleicht kippen. Vielleicht sogar schneller als wir denken?

Freundliche Grüsse

Ka E.